Um die Ästhetik ging es Pep Guardiola in diesem Höllenritt von einem Spiel nicht. Beim Coaching machte der weltgrößte Fußballpoet relativ schnell klar, dass er es diesmal im Trainerduell gegen Jürgen Klopp wissen wollte, und zwar ganz genau. Mehr als alle anderen Vereine in der Premier League ist ihm der FC Liverpool bisher in seinen zweieinhalb Jahren bei Manchester City auf der Nase herumgetanzt. Damit sollte jetzt Schluss sein, egal zu welchem Preis. Hauptsache diese verdammte Spiel gewinnen!
Dass Guardiola es tatsächlich schaffte, mit seinem Team das 2:1 (1:0) über die Zeit zu retten und damit Englands Meisterschaft wieder offen gestaltet, lag am Ende an Tugenden, die man von Guardiola kaum kennt. Es war ein Abend intensivster Premier-League-Show, in der die etwas bessere Pressingmaschine von City sich knapp durchsetzte. Und es war der Abend eines Helden aus Deutschland: Leroy Sané, dessen Billardtor in der zweiten Hälfte Jürgen Kloppund seinem FC Liverpool den hübschen Vorsprung in der Tabelle raubte.
"Das war ein Finale für uns. Jetzt ist es wieder eng und alles offen", sagte Guardiola. "Für die Premier League ist das ein gutes Resultat, auch wenn Jürgen Klopp das nicht so sehen wird. Es gibt noch genug Punkte zu vergeben, um ruhig zu bleiben." Ruhig bleiben, das klang wie blanker Hohn angesichts der aufreibenden Schlussphase dieser Partie: Mit elf Spielern verteidigte ManCity da vor dem eigenen Tor. Auf jeden Angriff von Liverpool folgte eine Klärungsaktion der Gastgeber: minutenlang flog der Ball in den Strafraum rein, dann wieder raus, erneut rein und wieder raus.
Niemand war sich bei City zu schade, im Rahmen der Möglichkeiten mitzuhelfen, das Tor zu verteidigen. Der feingeistige Spielmacher Bernardo Silva legte mit 13,7 Kilometern die größte Laufstrecke in dieser Saison zurück. Links hinten half Aymeric Laporte auf der Problemstelle in der Startelf aus. Und obendrein gab Guardiola den Animateur fürs Publikum, um für noch mehr akustische Unterstützung zu werben. Er ruderte und zeterte, schmiss seinen Schal wütend Richtung Bank - es lohnte sich. Und überhaupt: Was bringt all der ganze heilige Ballbesitz, wenn die verdammten Punkte nicht daheim bleiben? So gelang City ein Sieg mit untypischen Mitteln, man könnte fast sagen: Ein sogenannter "Arbeitssieg", ein Erfolg, der den Abstand Manchesters zu den "Reds" an der Tabellenspitze auf vier Zähler verkürzte.
Nie zuvor auf der Insel dürfte Guardiola das schlichte Resultat so zu schätzen gewusst haben wie nach diesem Duell. Und selten zuvor wird er seinen Begabtesten so sehr ins Herz geschlossen haben: Leroy Sané, der mit einer Szene der Extraklasse seinen Wert bewies. Mit links legte sich der deutsche Nationalspieler im Sprint den Ball am Strafraum in den eigenen Lauf, um ihn dann mit demselben Fuß ins ballentfernte Toreck zu schießen (72. Minute). Seit Beginn der vergangenen Saison ist Sané für City in 25 Ligaheimspielen an 26Treffern (neun Tore, sieben Vorlagen) beteiligt gewesen.
Ohne sein Siegtor hätte sich Guardiola rechtfertigen müssen, auf die Formationsänderung seines Gegenübers nicht rechtzeitig reagiert zu haben. Die Umstellung bei Liverpool auf zwei Angreifer und zwei Außenspieler, die stets in die Mitte zogen, wollte Guardiola direkt mit Ilkay Gündogan als zweitem defensiven Mittelfeldspieler neben Fernandinho kontern. Nur befand sich jener Gündogan an diesem bitterkalten Abend just zu diesem Zeitpunkt auf der Ersatzbank statt beim Aufwärmen. Weil sich in England am Seitenrand bloß drei Spieler einer Mannschaft in Bewegung halten dürfen, vergingen bis zur Einwechslung von Gündogan acht Minuten. Das reichte Liverpool, um für den zwischenzeitlichen Ausgleich durch Roberto Firmino zu sorgen (64.). Die Entstehung des Treffers legte nahe, dass City in dieser Szene von zwei Spielern vor der Abwehr massiv profitiert hätte.
Tags: